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POEM der Woche

Aus: Späte Visionen (Arbeitstitel)
Autor: Gregori Latsch


***

Fluchtrouten zwischen Orion und Mars

Sie schätzen aus der sonnenhaften Mitte
ihres Wesens, wie wir es tun, das Leben ein, verlassen
sich auf ihren Mut, um, alle Widrigkeiten
überwindend, im Tal des christlichen Erbarmens an-
zukommen. Ein großer Gedanke! Immer wieder ange-
gerufen – als letzten Ausweg in die Ewigkeit. –
Daneben gibt es noch den Traum,
von einem Engel angeführt,
auf Routen zwischen Orion und Mars, im Licht des
wahren Friedens einen Platz zu finden,
der keine Rücksicht auf die Art des Menschen
nimmt – und nur das Leben kennt.
So wie es uns von Anfang an gegeben ist.
Das ist ein schöner Traum.
Und unerreichbar ist er nicht.

 

***

Corrida de Toros. 10. September 1967
Plaza de Toros de Madrid. – November 2017


Das Warten, doch worauf?, bewegungslos
in einer Box, ist überstanden. Das Tor ist frei!

El Toro springt in die Arena, sieht sich
erschrocken um, kein Grün!, und stürzt sich,
wild entschlossen, auf den Schatten eines Menschen.
Und Staub, und Sand, und erste Wut wird
bald zu einem grausamen Gemisch.

Und überall im weiten Rund plärrende Menschen.
Und auf dem Platz, nur einen Steinwurf weit,
ein Mann, der wie geziert in seine Richtung
sieht, und der ein rotes Tuch wie eine Fahne
vor sich trägt, und dessen Unbeweglichkeit und
Stille der Auftakt ist zu einem schweren Kampf.

Das rote Tuch in seinen Augen fordert ihn heraus.
Es flackert wild im Sonnenlicht. Der Stier versteht
es nicht, er rast dem roten Schein entgegen,
verpaßt ihn nur um einen Augenblick.

Er weiß noch nicht, daß das Vergnügen eines
Kampfes im Auge seines Feindes liegt.

Der schlanke Mann in seiner schönen Kampfmontur
weiß, was er will – den Tod des Stiers. Davor
zeigt er, zur Freude seines Publikums, wie so
ein großes schwarzes Tier gedemütigt und in die
Knie gezwungen werden kann. Und das geschieht
ganz ohne Kampfgeschrei. Mit List, nach Menschenart.

Der Stier ist müde, aus seiner schwarzen Haut
tropft Blut – im Nacken stecken spitze Spieße
mit Widerhaken; und immer noch stürzt sich
das Tier mit einer wilden Wut auf jene
unbewegliche Gestalt, die nur der Sonne aus
dem Wege geht.

Und ganz allmählich bahnt sich schon das Ende an.
Der Stier hört keine Laute mehr. Es ist so still im
weiten Rund. Wie gern er jetzt auf einer grünen Weide wär.

Ein letztes Flackern dieser schrecklich roten Fahne lockt
ihn an. Er wartet noch, sinkt in die Knie, steht auf; das
Flackern endet nicht, ein Blitzen blendet ihn – der Degen
des Toreros sammelt sich – zum Todesstoß. Jetzt wird es
still um ihn herum. Was wird geschehn! – Er stürmt nach
vorn, und wieder nimmt sein Auge nur die rote Fahne
wahr, und während er den müden Kopf fast schon
besiegt nach unten senkt, bohrt sich der Degen des
Toreros tief ins Schulterblatt – der schwere Körper fällt
aus seinem Gleichgewicht. El Toro est muerte. Ein einziger
Jubelschrei kommt von den Rängen, Applaus, der beiden
gilt – dem Sieger und Besiegten, in einem Kampf, der
kein Erbarmen kennt.

 

Anmerkungen zu dem vorstehenden Text:
Der obige Stierkampf ist authentisch.
 Im Herbst 1967 befand sich der Autor Gregori Latsch
mit seiner Lebensgefährtin in einem VW-Käfer auf Europafahrt,
die quer durch Spanien und Frankreich führte.
Darüber liegt ein noch unbearbeitetes MS vor, aus dem der Text über die
Corrida de Toros vom 10.9.1967 stammt, dem der Autor im November 2017
seine endgültige Form gab.

 
 

 

Gregori Latsch's

poetische Beschreibung unserer Welt
In einem bibliophilen Buchprogramm mit
zauberhaften Unikatausgaben -
unter dem Motto: Schöner kann Literatur nicht sein

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