Dieses Jahr - 2023 - ist ein Brecht-Jahr.
Warum?
 

In unseren Tagen

Wenn hinter mir der rote Kopf –
mit einem großen Mund und kleinen Augen,
der Kerl besteht aus sonst nichts anderem,
und scheint zu leuchten – auf die Tube drückt,
und mich mit irrem Blick erreichen will,
warum, das ist mir schleierhaft, vertief ich
mich doch lieber in jene dreizehn Strophen
aus Bertolt Brechts erstaunlich wachem
Poem „An die Nachgeborenen“.

Und komme nicht zum Ende; liegt doch das
Buch von B. in Wirklichkeit auf meinem Schoß;
und ich, zurückgelehnt im Sessel, versuche,
angeregt vom traurigen B.B., grübelnd zu
erfahren, wo liegt die schönste Zeile, um ein
Pendant zu fabrizieren.

Und nähere mich dem Ende. Und weiß, was
ich zitieren muß, was die Gefühle tief in mir
vereint: „Ich lebe in finsteren Zeiten“.

Doch meine Muse neigt zu einem anderen Ent-
schluß, und sie zitiert: „Ich vermochte nur wenig. –
Die Kräfte waren gering. – So verging meine
Zeit. – Auch der Zorn über das Unrecht“.

In der Pointe sitzt der alte Brecht mit Latsch an
einem Tisch, und sie versuchen zu ergründen, was
eigentlich im Sinn der Worte steckt – zu ihrer Zeit.
Und wie man sich den besten Sinn zu eigen macht.

 
Arbeitstitel: Späte Visionen
Entstanden: 2023
Autor: Gregori Latsch
 
 
     
     
     
 
Aus dem Band: Streifzug durch die Zeit/Ein Engel hat geweint
Frankfurter Motive aus den 1970er - 1990er Jahren
© by Cimarron-Team Karl-Heinz Winkowski zu allen Bildern
 

 

 
 
Grafik: Dieter Konrad - Cimarron-Team
Aus: Malobaar (Lob der Phantasie) - Reihe Cimarron libris
 
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